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(2) Literarische Vertextungstraditionen und außerliterarische Wissensveränderung (TP 06 Roling, TP 08 Hempfer)

Lite­ratur, die sich aus intertextuellen und systemreferentiellen Anschlüssen an die über­kom­me­nen Vertextungsverfahren speist, hat Veränderungen des außerliterarischen Wissens­spek­trums zu registrieren und zu verarbeiten. Auf solche Veränderungen muss eine Gattung wie das Lehrgedicht akut reagieren, bewältigt dies aber nicht durch eine lineare Fortentwicklung des Repertoires ihrer eigenen Darstellungsverfahren, sondern sucht durch eine Reaktualisierung und Neukombination ‚alter‘ motivisch-topischer Elemente und struktureller Prozeduren die episte­mi­sche Novität zu beherrschen, die aus einem sich in divergenter Weise entwickelnden Diskurs der ‚neuen‘ Wissenschaftsdisziplinen resultiert (TP 06 Roling). Diese der Literatur seit dem Ausgang der Renaissance in verstärkter Weise gestellte Aufgabe, auf extraliterarische epistemische Neuerung zu reagieren, führt in der Wahl der literarischen Mittel (Gattungsmuster usw.) aber selbst im 18. Jahrhundert nicht einfach zu einer Ablösung oder Abdrängung traditionsgebundener Verfahren; vielmehr ist ein an der Vermittlung von Novation interessierter Zugriff auf klassizistische Diskursformen festzustellen, der sich in hybriden Konstellationen ausformt und einer Tendenz der Forschung entgegensteht, aufklärerische Literatur als formalästhetisch ‚fortschrittliche‘ Literatur zu identifizieren (TP 08 Hempfer).